Gehobene Küche

Gusteau Kulináris Étterem Mád – Gourmet-Begleitung zum Tokajer

Versteckt im Weinort Mád bei Tokaj liegt das Restaurant des Jahres 2017 in Ungarn. Wir waren schon 2016 dort.

Spitzengastronomie in der Provinz, in einem Dorf? Warum nicht, zumal in einer Weinregion von Weltrang – dem Tokaj. Das Tokaj gehört seit 2002 zum Weltkulturerbe und ist seit dem Ende des Kommunismus in Ungarn in stetem Wandel begriffen. Parallel zu den herausragenden Weinen entstehen auch vermehrt Restaurants, die diesem Anspruch gerecht werden wollen. Eines der mittlerweile führenden Häuser der Region ist das Gusteau Kulináris Élményműhely in Mád. Küchenchef Gábor Horváth präsentiert hier eine moderne ungarische Küche, die von Frankreich mit inspiriert ist und viel Wert auf beste lokal produzierte Zutaten legt.
Der Gault Millau kürte das noch junge Restaurant kürzlich zum Restaurant des Jahres 2017 in Ungarn und erhöhte seine Punktzahl von vorher bereits ordentlichen 13 im Jahr 2015 auf nunmehr stattliche 15 Punkte und 2 Hauben – nur knapp unter dem Alabárdos in Budapest.

Balance zwischen Klassik und Moderne

Gusteau Kulináris in Mád, Gastraum
Gusteau Kulináris in Mád, Gastraum

Verborgen in einer dörflichen Seitenstraße in Mád erreichen wir ein romantisches Eingangstor, wie man es sich für einen Weinort wünschen mag. Nach unserem zaghaften Eintreten suchten wir linksseitig den Gastraum, wurden aber rasch bemerkt und mehr nach rechts in die moderne Welt geleitet. Gemischte Gefühle: Froh, dass überhaupt geöffnet ist, aber auch etwas verwundert, weil der hier vorzufindende moderne Trakt nicht so recht zum idyllischen Eingang passen wollte. An diesem heißen Sommermittag führte man uns in den zunächst kühl, relativ dunkel und auch etwas leer wirkenden Gastraum. Glücklicherweise waren wir nicht die einzigen Gäste und ließen es geschehen. Nichts sollte hier mehr die Sinne von der Kulinarik ablenken.

Unser Menü im Gusteau Kulináris Étterem Mád

Küchengruß im Gusteau Kulináris in Mád
Küchengruß im Gusteau Kulináris in Mád

Stürzen wir uns also in das Mittagsmenü mit passender individueller Weinbegleitung – schließlich wollen wir neue Tokajer kennenlernen. Es braucht aber etwas Wartezeit, bis die Gerichte aus der Küche kommen. So ist das eben bei frischer Zubereitung. Als Gedeck, Amuse geule und Zeitvertreib gab es vorab noch ein Stück vom gefüllten Schweinefuß auf Toast. Das Gedeck auf klassischem weißen Porzellan und der Service waren übrigens hervorragend. Die Karte ist mehrsprachig erhältlich und man spricht hervorragend Englisch.

Selleriekremsuppe im Gusteau Kulináris in Mád
Selleriekremsuppe im Gusteau Kulináris in Mád
Entensülze (Kacsa kocsonya) im Gusteau Kulináris in Mád
Entensülze (Kacsa kocsonya) im Gusteau Kulináris in Mád

Zur Vorspeise stehen an: eine Selleriekremsuppe mit Garnelentatar, verfeinert mit Ingwer, Knoblauch, Haselnuss und frittiertem Sellerieblatt für 2.000 Ft sowie eine gesülzte Ente (Kacsakocsonya) mit Leberpastete und einer Creme von geräucherter Forelle für 2.900 Ft. Experimentell dazu wirkten die Macarons aus Rote-Beete, gefüllt mit Forellenmus. Dazu als Einstieg die Hausweine vom Elsö Mádi Borház – Muskotály und Harslevelü – übrigens 1 dl für günstige 500 Ft (etwa 1,70 Euro).

Ziege im Gusteau Kulináris in Mád
Ziege im Gusteau Kulináris in Mád
Forellenfilet im Gusteau Kulináris in Mád
Forellenfilet im Gusteau Kulináris in Mád

Zum Hauptgang präsentieren sich dann Ziege an grünen Nudeln mit Pak Choi und Erdnüssen sowie glasig gebratenes Forellenfilet mit Pistazien-Crumble, Kürbis, frittierten Zucchini, Kartoffelspalten und einer Senf-Mayonnaise. Hervorragend zart waren meine ersten Stücke von einer Ziege mit den hier etwas exotischen Beilagen. Geradezu sensationell hingegen das Forellenfilet bei meiner Frau mit den Kürbisvarianten. Hier alles zart und doch noch bissfest gegart, mit abwechslungsreichen komplexen Aromen bei den Kürbissen und einer Forelle, die über jeden Zweifel erhaben ist. Kein Wunder, stammen doch die hier servierten Forellen aus regionaler Aufzucht aus der nur rund 50 Kilometer entfernten Forellenzucht bei Lillafüred im Bükk-Gebirge. Die Preise um 15 Euro (4.400 bis 4.800 Ft) für die Hauptgerichte sind zwar in Ungarn nicht billig, für solche Qualität aber ausgesprochen fair.

Aprikosendessert im Gusteau Kulináris in Mád
Aprikosendessert im Gusteau Kulináris in Mád

Doch das Highlight steht noch aus. Oft ist das ohnehin das Dessert. Im Tokaj ist das selbstverständlich auch so, denn man möchte doch einen der legendären Süßweine probieren und ein passendes Dessert dazu genießen. Wie wäre es mit Nudeln an Aprikosen? Klingt ungewöhnlich, aber schaut selber. Crumble und hausgemachtes Eis dazu sorgen für ein komplexes Geschmackserlebnis. Und wohltuend: Trotz aller Deko bleibt der Tellerrand sauber und dem Gast vorbehalten. So serviert man mit Niveau.

Kirsch-Rosmarin-Sorbet im Gusteau Kulináris in Mád
Kirsch-Rosmarin-Sorbet im Gusteau Kulináris in Mád

Noch etwas komplexer ist das andere Dessert: Ein Kirsch-Rosmarin-Sorbet mit Ziegenkäse-Kirsch-Crumble und Pistazien-Rührkuchen. Ja, das ist alles schwer zu beschreiben. Jede Komponente ein spannender erster Biss und immer wieder eine neue Erfahrung – alles harmonisch aufeinander abgestimmt. So stelle ich mir Spitzenküche vor. Das Ganze gibt es bisher in Mád für 1500 bis 1900 Ft, also etwa 5-6 Euro. Woanders reicht das manchmal kaum für ein Industrieeis. Hierfür absolut Daumen hoch für sensationelle Desserts, die natürlich regelrecht nach einer anspruchsvollen Weinbegleitung rufen.

Tokajer vom Feinsten

Tokaji Szepsy Szamorodni im Gusteau Kulináris in Mád
Tokaji Szepsy Szamorodni

Begleitung zur Vorspeise bot der Hauswein aus Mád. Ja, und der war so toll, dass wir schließlich ein paar Flaschen davon erworben haben. Die Hausweine aus Mád kommen in der neu etablierten bauchigen Flasche mit dem geprägten Tokaj-Logo und sind würdige Repräsentanten für die Region, den Weinort Mád sowie die jeweiligen typischen Rebsorten Furmint, Harslevelü und Muskotály. Für 2.490 Ft (rund 8 Euro) kann man die Weine im Haus erwerben.
Zum Hauptgang gab es dann Furmint und Harslevelü der nächsten Stufe – je einen Cru der Einzellage Percze vom Weingut Szent Tamas aus Mád. Aromatisch, mineralisch und vom Terroir geprägt, 10 Monate gereift in Eichenfässern, die regional im umgebenden Zemplén-Gebirge gefertigt werden.
Zum Abschluss dann nur Mittelklasse – zufällig – Szamorodni? Nein, Luxusklasse – Szepsy Szamorodni 2012! Dieser „zufällige“ Wein stammt von István Szepsy, dem heutigen ungekrönten König des Tokaj. Der für 11.000 Ft (knapp 40 Euro) bei Bortársaság in Ungarn erhältliche Wein geht für 14.000 Ft an den Gast, also fast zum Ladenpreis. Hammer! Sogar glasweise wird er ohne Aufpreis ausgeschenkt für 2.800 Ft.

Schmeckt er denn nun auch? Ja! Der kräftig goldene Szamorodni von Szepsy kann es wohl mit so manchem klassifizierten Aszú-Wein aufnehmen. Trotz der locker für Aszú ausreichenden Süße präsentiert sich hier vordergründig eine frische Aromenfülle, wie sie selbst im Tokaj nur selten zu finden ist. Ob nun Aprikosen, Trauben, Feigen, Muskat, die Fassnoten oder die Komplexität durch Botrytis – ein solcher Szamorodni von Szepsy ist eine außergewöhnliche Bereicherung für die internationale Süßweinlandschaft. Beim nächsten Besuch in Mád werden wir uns dann an den großen Szepsy Aszú herantasten.

Denn selbstverständlich bietet das Spitzenrestaurant auch die berühmten Aszú-Weine von István Szepsy an. Kein Wunder, denn in Mád befinden wir uns hier praktisch nebenan vom Weingut Szepsy und quasi in seinem Haus-Restaurant. Wer die Spitzen-Tokajer kosten möchte, wird hier fündig. Wer sich sonst für die Tokajer von Szepsy interessiert, kann bei Borstore immerhin seinen „normalen“ Furmint erwerben und nach weiteren Weinen fragen. Borstore hat gute Kontakte zum führenden Weinhändler Bortarsasag in Ungarn und direkt zu den Winzern. Máté und Gabor sind auch bei Sonderwünschen gerne behilflich.

Zur Story des Gusteau in Mád

Ursprung des Restaurants war 2010 die Idee, zu den herausragenden Tokajer-Weinen passende Gerichte in einer angenehmen Umgebung anzubieten. Küchenchef Gábor Horváth erreichte damit bereits 2012 im Gault Millau 14 Punkte. In jenem Jahr wurde auch die Ziegenfarm in Mád gegründet, so dass Ziegenkäse und auch Fleisch vom Zicklein direkt aus Mád stammen. 2013 brachte Gábor Horváth von einer Reise nach Lyon neue Inspirationen mit. Mittlerweile gibt es direkt daran auch das Haus des Aszú-Weines mit einer Ausstellung zur Weinregion Tokaj.

Tipps rund um das Gusteau Kulináris in Mád

Natürlich ist Mád ein Weinort, sogar ein sehr schmucker. Es lohnt sich allemal, etwas zu entschleunigen und die unverfälschte Atmosphäre zu genießen. Denn auch jenseits vom Wein gibt es hier manch Sehenswertes bei einem Rundgang durch Mád zu entdecken. Wer mit dem Auto nach Mád kommt, sollte den Spaziergang nach dem Essen und den Weinen vornehmen (Alkoholverbot beim Autofahren). Wer das Restaurant abends besuchen möchte, nächtigt am besten gleich in unmittelbarer Nähe im kürzlich neu eröffneten Hotel mit dem bezeichnenden Namen Botrytis (buchbar bei Booking). Im Ort Mád gibt es weitere Weingüter zu besuchen wie beispielsweise die Tokaj Classic Winery oder die riesigen Keller von Holdvölgy. Mád eignet sich aber auch als Ausgangspunkt für Ausflüge in die benachbarten Weinorte Tarcal mit dem Weingut Degenfeld, Tállya, Bodrogkeresztúr, Tokaj selbst oder nach Szerencs.

Gusteau Kulináris Étterem: praktische Informationen

Rechnung vom Gusteau Kulináris in Mád
Rechnung vom Gusteau Kulináris in Mád

Adresse:

3909 Mád, Battyhyány utca 51
Telefon: (00-36) 47/348-297
Telefon2: (00-36) 30/921-2528
E-Mail: http://gusteaumuhely.com/en/contact/
Webseite: http://gusteaumuhely.com/en/home/; http://facebook.com/gusteaumuhely

Öffnungszeiten:

Mittwoch-Donnerstag 12-22 Uhr
Freitag-Samstag 12-23 Uhr
Sonntag-Dienstag geschlossen.
Man beachte unbedingt die eingeschränkten Öffnungszeiten, die aber bereits etwas erweitert worden sind. Aktuelle Angaben findet man auf der Webseite des Hauses.
Bei unserem Besuch schien eine Reservierung nicht erforderlich. Nachdem das Gusteau nun aber Restaurant das Jahres 2017 geworden ist, empfiehlt es sich sicherlich, die gewünschten Plätze etwa online über das Kontaktformular zu reservieren.

Koordinaten:

48,19244°N / 21,28066°O

Preise:

Für ungarische Verhältnisse ist das Restaurant natürlich teuer, aber bei dieser Qualität knapp unter der Sternekategorie kann man das sogar noch als Schnäppchen bezeichnen. Auch ein Gast mit kleinerem Geldbeutel kann dort mit den Hausweinen und einer geeigneten Speisenauswahl zum fairen Preis in die Spitzengastronomie reinschnuppern. Hoffentlich bleibt es noch eine Weile so erhalten.
Ach so: Im Gusteau Kulináris in Mád gibt es keinen Bedienungszuschlag für Touristen, wie es in der Hauptstadt üblich ist. Und auch die netten (oder manchmal aufdringlichen) Fiedler fehlen hier.

Fazit:

Hätte es Gault Millau nicht schon selber gemerkt, so hätten wir wohl unsererseits das Gusteau (Mádi Udvarház) als klare Empfehlung für einen Aufsteiger in die Spitzenklasse gesehen. Vollkommen zurecht ist das Mádi Udvarhaz das Restaurant des Jahres 2017 in Ungarn. Wir sagen nur: Bleibt auch künftig ein Botschafter des Tokaj. Wir kommen gerne wieder.

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