Kéhli Vendéglő Óbuda – Traditions-Gasthaus nahe der Árpád híd Budapest
Das charmante Restaurant Kéhli mit Ambiente zwischen Csárda und Biergarten verbindet sehr gute ungarische Küche mit Literatur.
Das charmante Restaurant Kéhli mit Ambiente zwischen Csárda und Biergarten verbindet sehr gute ungarische Küche mit Literatur.
Ein gemütlicher Charakter zwischen fränkischem Biergarten und ungarischer Csárda – das Ambiente im ruhigen Innenhof des Kéhli Vendéglő lässt schnell die Hektik der Arpád híd vergessen. Hier kann man es sich unbesorgt gutgehen lassen, wie dies dereinst auch der ungarische Dichter Gyula Krúdy tat. Hier sind Touristen meist noch in der Unterzahl. Werktags mittags schien man eher einen guten Business-Lunch einzunehmen, wobei wir sehr erstaunt waren, wie viel die Leute in kurzer Zeit vertilgen können.
Umfangreiche Speisekarte ohne Firlefanz
Die Speisekarte ist ziemlich groß, lohnt aber eine intensivere Beschäftigung. selbst wenn es nicht soweit gehen muss wie bei Krúdy (siehe unten). Bei einer Vielfalt von mehr als 80 Angeboten werde ich meist skeptisch. Da das Kéhli aber innen Platz für 200 Personen und nochmals fast 100 außen bieten kann, steht da wohl eine größere Küche dahinter. Zudem sind viele Suppen und beliebte Schmorgerichte natürlich problemlos zuzubereiten. Die servierten Gerichte bestätigten das.
Auf der Webseite des Gasthauses kann man sich vorab orientieren. Es gibt dort zumindest auch eine englische Speisekarte. Vor Ort gibt es die Speisekarte übrigens auch auf Deutsch und außerdem noch auf Russisch, Italienisch und Hebräisch.
Insgesamt sind im Kéhli praktisch alle Klassiker der ungarischen Küche vertreten, wie man das in diesem Umfang sonst nur selten findet. Seien es Bohnensuppe, Knoblauchcremesuppe, Gulaschsuppe oder die Fischsuppe (Halászlé) vorab. Über Gänseleber mit Zwiebelconfit, Ceasar-Salat oder Tatar geht es weiter zu Forelle, Karpfen, Wels und Zander. Gänseleberschnitten, Székler-Gulasch, Gefülltes Kraut, Rinderbacken-Pörkölt, Ungarischer Lendenspieß, Kalbspaprikasch usw. machen die Auswahl wahrlich schwierig.
Hinzu kommen so einige Spezialitäten und ausgefallene Dinge. Sehr beliebt sind Gerichte mit Markknochen wie der Heiße Topf mit Markknochen (Forró fazék velős csonttal) und Heißer Markknochen mit Knoblauch-Toast (Forró velőscsont fokhagymás pirítóssal), was uns leider erst nach unserer Bestellung aufgefallen ist. Beim nächsten Besuch dort sind die Knochen fällig. Und wer was Ausgefallenes sucht; es gibt auch flambierte Schnecken oder Froschschenkel.
Kleines Mittagsmenü im Kéhli Vendéglő
Eigentlich eher zufällig fanden wir das Kéhli Vendéglő zur Mittagszeit beim Spaziergang an den Brücken von Budapest nahe der Árpád híd. Bei herrlichem Wetter im Mai lud der Innenhof unter Kastanienblüten ein. Den Auftakt machten eine kleine Fischsuppe (Kishalászlé, 890 Ft) sowie eine Entenragoutsuppe (Kacsa ragu leves, 990 Ft). Serviert in der Keramikschale waren diese bereits alles andere als klein und zusammen mit dem Weißbrot vom Gedeck schon eine deutliche Sättigung. Ja, man kann sagen, diese waren etwas dezent gewürzt. Einerseits ein großer Vorteil in Ungarn ist mal wieder der moderate Einsatz von Salz. Wer es doch schärfer mag, frische Erös paprika und das beliebte Erös pista standen ja wie selbstverständlich nett serviert bereit. Zur Perfektion hätte man der Fischsuppe zu den verarbeiteten Kleinteilen noch ein größeres Fischstück spendieren können – aber es war ja nur eine kleine Halászle. Dazu genehmigten wir uns zunächst ein Dreher (korsó) und eine hausgemachte Limonádé.
Den Hauptgang bildeten dann ein Welspaprikasch mit Quarknudeln (3490 Ft) – mehr Ungarisch geht kaum – sowie geröstete Gänseleberschnitten (3990 Ft). Ordentliche größere Stücke vom Wels in einer intensiv paprikaroten Sauce, die größeren, flachen Nudeln mit Quark vermengt und etwas ausgelassenem Speck garniert, etwas scharfer grüner Paprika als I-Tüpfelchen. Im anderen Fall die Gänseleberscheiben geröstet und etwas geschmort, zart und eine sehr große Portion, begleitet von Kartoffeln und Salat. Als Kompromiss zu den unterschiedlichen Gerichten und angesichts des herrlichen Wetters fiel die Entscheidung zügig auf einen Rosé-Wein von Frittmann als weitere Begleitung.
Nach diesen Portionsgrößen gab es mittags allerdings keine Chance mehr für ein Dessert, auch wenn etwa Schomlauer Nockerln (Somlói galuska) oder Vogelmilch (Madártej) verlockend waren.
Getränke-Highlights von Limonádé bis Fröccs
Die Getränkeauswahl steht den Speisen kaum nach. Das große Bier vom Fass kostet 850 Ft (etwa 2,50 €). Empfehlenswert ist auf jeden Fall die hausgemachte große Limonádé für 1200 Ft statt bekannter Industriebrausen. Zudem gibt es verschiedene Säfte und frisch gepresste Orange. Für rund 5-6 Euro reicht die Cocktail-Auswahl von Daiquiri über Bloody Mary bis zum Puszta koktél. Die Weinkarte bietet Weißweine vom Balaton, Etyek, Mátra, von Frittmann aus Kunság und etwa den Somló Juhfark (Schafschwanz) von Tornai. Die Rotweine stammen meistens aus Villany, Szekszárd und Eger. Die berühmten Tokajer sind vertreten, aber hier ließe sich das Angebot durchaus noch ausbauen.
Gerade für die warme Jahreszeit ist Fröccs in Ungarn sehr beliebt. Hier im Kéhli kann sich auf Wunsch jeder seinen Fröccs (Weinschorle) selber optimal bereiten. Sehr schön, dass es noch die traditionellen Sodaflaschen gibt und diese aktiv im Einsatz sind.
Man beachte bei den Preisangaben, dass letztlich noch 10% Zuschlag für den Service hinzukommen, wie das zumindest in Budapest oft üblich ist. Für Touristen ist das noch immer recht preisgünstig.
Der Charme vom alten Óbuda (Altofen)
Heute präsentiert sich Óbuda kontrastreich: Zwischen nicht mehr ganz modernen Hochhäusern und der wichtigsten Verkehrsader über die Arpád híd gibt es ein altes Stadtzentrum und unweit davon geschichtliche Zeugnisse, die über die Römerzeit in Aquincum bis hin zur Steinzeit zurückreichen. Das Kéhli Vendéglő befindet sich in einem der letzten schönen alten Gebäude aus dem Jahre 1828. Das Gasthaus eröffnete dort 1899 und wurde zum beliebten Treffpunkt der Bohemiens jener Zeit. Unter ihnen der 1878 in Nyíregyháza geborene Schriftsteller, Poet und Journalist Gyula Krúdy, der hier Stammgast war und viel Zeit verbrachte.
Mit der abendlichen Zigeunermusik (ja, die Cygányok heißen so und sind sehr beliebt) ist das Kéhli übrigens auch einer der letzten Orte in Budapest geworden, wo es diese Musik wirklich traditionell gibt.
Als Dekoration im Gasthaus findet man unter anderem Buchausgaben von Krúdy wie etwa Szindbád, schöne alte Soda-Flaschen und eine historische Schreibmaschine. Vielleicht ist darauf dereinst ja Literatur für Krúdy getippt worden.
Das Kéhli Vendéglő nahe der Árpád híd empfiehlt sich auch für Besucher des in der Nähe befindlichen Vasarely-Museums sowie vom riesigen Sziget-Festival im Sommer.
Von Bohemiens und Prominenz
„Er nahm die Speisekarte mit einer solchen Andacht in die Hand, als wäre es ein Liebesbrief, den nach längerer Zeit endlich eine untreue Geliebte seinem vernachlässigten Magen sendet…“, so einige Worte von Gyula Krúdy, die so bezeichnend für ihn sind. Heute verehrt man hier den einstigen Stammgast und findet nebenan sogar ein kleines Denkmal. Im Ausland ist Krúdy eher wenig bekannt, inzwischen gibt es aber auch eine deutsche Ausgabe von einigen seiner Erzählungen, etwa bei Amazon (Der Geschmack der Träume, zehn Erzählungen. Gebundene Ausgabe – 29. Juli 2016).
Im Kéhli Vendéglő ist man zudem stolz auf Tradition und die vielen prominenten Gäste. Einer von ihnen war Ende der 60er Jahre der chilenische Literatur-Nobelpreisträger Pablo Neruda. Weiterhin dazu gehören bekannte Größen wie Helmut Kohl zusammen mit Victor Orbán, der ehemalige ungarische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány ebenso wie Jimmy Carter, Vaclav Havel und auch George Soros. Die Sportlegenden Ferenc Puskás und László Papp waren hier, ebenso wie die Stars Woody Allen, Gilbert Becaud, Arnold Schwarzenegger, die Scorpions und der 2017 verstorbene Bond-Darsteller Sir Roger Moore.
Das Kéhli gehört zu meinen Glücksorten in Budapest (als Buch erhältlich).
Kéhli Vendéglő: praktische Informationen
Adresse:
1036 Budapest, Mókus utca 22
Telefon:(00-36)-1-250-4241
Fax: (00-36)-1-387-6049
E-Mail: info@kehli.t-online.hu
Webseite: https://kehli.hu/ (auch auf Englisch)
Anfahrt: mit der Metro M2 zum Batthyany tér und dann mit der Vorortbahn H5 zum Szentlélek tér und etwa 300 Meter zu Fuß unter der Árpád híd hindurch und an der Peter und Pauls Kirche vorbei zur Mókus ut.
Öffnungszeiten:
Täglich 12-24 Uhr (23 Uhr Küchenschluss)
Koordinaten:
47,5379°N / 19,04357°O
Fazit:
Ein romantisches und authentisches Lokal mit historischem Bezug und interessanten Details. Große Auswahl typisch ungarischer Speisen in guter Qualität zu nicht immer günstigen, aber angemessenen Preisen. Guter und mehrsprachiger Service. Mit seiner soliden Gesamtleistung hat sich das Kéhli die Erwähnung im ungarischen Gault Millau 2015 mit 8 Punkten mehr als verdient.