Die Flagge von Ungarn – Geschichte und Geschichten um Piros-fehér-zöld
Woher stammt eigentlich die Nationalflagge Ungarns, welche Bedeutung hat sie und warum haben manchen Flaggen ein Loch?
Woher stammt eigentlich die Nationalflagge Ungarns, welche Bedeutung hat sie und warum haben manchen Flaggen ein Loch?
Die ungarische Flagge mit ihrem Rot-Weiß-Grün ist allen Ungarn ein fester Bestandteil ihrer Identität. Sie sind sehr stolz auf ihr Land, die Flagge und die Nationalfarben. Auch dem Besucher in Ungarn wird das typische Piros-Fehér-Zöld unweigerlich begegnen, egal ob als Flagge, Kokarde, Souvenir oder Banderole um Salami, Kolbász oder Unicum. Viele ungarische Produkte und Souvenirs tragen heute häufig die Nationalfarben der Trikolore.
An nationalen Feiertagen wie dem 15. März sind diese Farben und Flaggen omnipräsent in Ungarn. Man verschenkt da gerne mal ein in den Nationalfarben geschmücktes Brot. Doch Rot-Weiß-Grün ist erst seit 1848 üblich.
An öffentlichen Gebäuden in Ungarn weht übrigens neben der ungarischen Flagge zumeist ebenso die Flagge der Europäischen Union. Doch woher stammt eigentlich die heutige Flagge Ungarns? Die Erklärung ist ein etwas weiterer Ausflug in die Geschichte.
Wappen und Nationalfarben von Ungarn
Die historische Entstehung der ungarischen Nationalfarben ist eng mit der Entwicklung des Wappens verknüpft. Die ursprüngliche Flagge Ungarns waren wohl vier abwechselnd rote und weiße Streifen in waagerechter Richtung – die Flagge der Árpáden. Von der Landnahme 896 bis zum Jahre 1301 stellte das Geschlecht der Árpáden die ungarischen Könige. Daher waren die Árpád-Streifen stets auch die königliche Flagge Ungarns. Sie bilden noch heute die linke Seite des ungarischen Wappens.
Die rechte Seite des Wappens zeigt ein weißes Doppelkreuz auf rotem Grund. Dieses sogenannte byzantinische Doppelkreuz oder Patriarchenkreuz soll im 9. Jahrhundert in die Region des Karpatenbeckens gekommen sein. Seit dem Jahr 1000 verwendete der christliche Gründer Ungarns, der Heilige Stephan (Szent István), dies als königliches Abzeichen, was die apostolische Würde des Königs symbolisierte.
Der rechts darunter befindliche grüne Dreiberg erscheint etwa ab dem 13. Jahrhundert auf einzelnen Árpád-Flaggen und im Wappen. Auch im Wappen von Matthias Corvinus (I. Mátyás Király) ist der Dreiberg zu finden. Je nach Deutung steht er für die drei Elemente der Macht – Kirche, König und Militär – oder auch für die Berge bzw. Gebirge Tatra, Fatra und Matra (heute in der Slowakei und Nordungarn liegend).Die erste offizielle Verwendung der drei Nationalfarben datiert wohl auf das Jahr 1608 zur Krönung des Kaisers Matthias als ungarischer König II. Mátyás Király in der damaligen Hauptstadt Bratislava. Während der Herrschaft der Habsburger war allerdings die schwarz-gelbe Habsburger Flagge auch die Fahne von Ungarn.
Die ungarische Trikolore
Die dreifarbige Gestaltung der Flagge als Trikolore geht in der Tat auf die Französische Revolution von 1789 zurück. In jener Zeit versuchte man, nach französischen Vorbild Nationalfarben und Flaggen festzulegen. Zum Rot-Weiß der alten Árpád-Flaggen kam nun das Grün hinzu, was sich immer öfter bereits als dritte Nationalfarbe der Magyaren gezeigt hatte. Die ungarische Trikolore ist dann das Symbol der gescheiterten Revolution 1848 gegen die Habsburger Monarchie und für den Freiheitskampf der Ungarn geworden. Ebenso ist sie auch untrennbar mit Sándor Petőfi verbunden – dem berühmtesten Dichter der Ungarn und Volkshelden der Revolution von 1848. Der 1823 in Kiskőrös geborene Dichter starb damals mit nur 26 Jahren im Freiheitskampf in der Schlacht bei Segesvár (Sighișoara im heutigen Rumänien). Unvergessen bleibt sein Nationallied (Nemzeti dal).
Die Revolution begann am 15. März 1848, als Massendemonstrationen in Ungarn die Habsburger zwangen, die Forderungen der Revolutionäre anzuerkennen. Nach der späteren Niederschlagung 1849 war allerdings die neue ungarische Fahne wieder verboten. Erst nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 konnte die Trikolore offizielle Nationalflagge werden, damals verziert mit dem Wappen inklusive aufgesetzter Stephanskrone.
Kokárda in Ungarn
Eine Kokarde ist ein ursprünglich rundes Abzeichen, was man an der Kleidung trägt und das eine politische oder nationale Zugehörigkeit signalisiert. Später entwickelten sich daraus Bandschleifen, die sich in der Französischen Revolution rasch verbreiteten.
Die ungarische Kokárda geht entsprechend ebenfalls auf die Revolution 1848 zurück. Die kaiserlichen Flaggen wurden durch die ungarischen ersetzt. Soldaten und Offiziere signalisierten mit der Kokarde ihre Zugehörigkeit zu den Zielen der Revolution. Am 15. März 1848 sprach etwa der aus Balatonfüred stammende ungarische Dichter Jókai Mór auf einer Bühne:
„Sehen Sie diese dreifarbige Kokarde hier auf meiner Brust? Dies ist das Abzeichen des heutigen glorreichen Tages. Alle Menschen, die Kämpfer der Freiheit sind, tragen es, es unterscheidet sie vom Söldner der Sklaverei. Diese drei Farben stehen für die drei heiligen Wörter: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit …“
Zehn Minuten später war das Theater leer und am nächsten Tag trugen alle eine dreifarbige Kokarde.
Nach der Niederschlagung der Revolution bis zum österreichisch-ungarischen Ausgleich war auch die Kokarde verboten. Ebenso in sozialistischer Zeit wurde das Tragen der Kokárda zur inoffiziellen Gedenkfeier sehr argwöhnisch gesehen, denn sie war stets ein Symbol der Unabhängigkeit und stand auch für Antisowjetismus. Seit der Wende 1989 ist die Kokárda nun fester Bestandteil der Feierlichkeiten am Nationalfeiertag 15. März.
Wappen und Flagge Ungarns zwischen 1867 und 1956
Erst 1867 wurde dem Wappen die Krone aufgesetzt – die heilige Stephanskrone, deren Original heute im Parlament gehütet wird. Einige kleinere Änderungen der Flagge betrafen in den folgenden Zeit vor allem Details am Wappen. Das damalige und heute wieder gültige Wappen findet der Besucher beispielsweise an der Freiheitsbrücke. Mit der Ausrufung der ungarischen Volksrepublik 1918 verschwand die Stephanskrone aus dem Wappen. Für einige Monate wurde Ungarn 1919 auch eine Sowjetrepublik. Danach galt wieder die gewohnte ungarische Flagge mit dem Wappen samt Stephanskrone. Ab dem Verlust von rund zwei Drittel des Territoriums nach dem Vertrag von Trianon 1920 waren die Flaggen bis 1938 auf Halbmast gesetzt und in Staatstrauer. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs kehrte Ungarn zur Flagge mit dem Kossuth-Wappen ohne Krone zurück.
Mit der Gründung des kommunistischen Ungarns unter Sowjet-Herrschaft 1949 kam hingegen ein stark sowjetisch geprägtes Wappen in die Flagge – das sogenannte Rákosi-Wappen, was im Volksaufstand 1956 wiederum sein Ende fand.
Beim Wappen gab es in jener Zeit noch mehrere Veränderungen. Interessant ist beispielsweise die Variante der Donaumonarchie von 1890, welche den Vielvölkerstaat gut repräsentiert. Neben dem ungarischen Wappen in der Mitte sind hier die Wappen der Nachbarländer zu sehen – die Löwenköpfe von Dalmatien, das rot-weiße Schachbrettmuster von Kroatien, das Wappen von Slawonien (heute nordöstliches Kroatien), das Wappen vom Szekler-Land (heute Teil Transsilvaniens in Rumänien) und ein Adler von Fiume.
Für kurze Zeit wurde das Wappen zum Ende des II. Weltkriegs auch von den faschistischen Pfeilkreuzlern missbraucht. Sie unterlegten das ungarische Wappen mit grünen kreuzweisen verlaufenden Pfeilen. Von 1946 bis 1949 galt wieder das Kossuth-Wappen ohne Krone. Auch das von 1949 an geltende sowjetisch geprägte kommunistische Wappen möchte wohl kaum noch jemand sehen. Als geschichtliches Dokument sei aber dennoch darauf verwiesen, denn dies erklärt die nächste Entwicklung.
Tipp: Wer sich für die genauen Details der historischen Entwicklung interessiert, sei auf die ungarische Wikipedia verwiesen. Dort finden sich ausführliche Informationen zur Geschichte der Flagge sowie des ungarischen Wappens. Die entsprechenden deutschen Seiten der Wikipedia sind hier leider drastisch eingekürzt und nicht wirklich aussagekräftig.
Die Flagge mit dem Loch
Eine außergewöhnliche Besonderheit hat die ungarische Flagge aufzuweisen – zumindest zeitweise. Jene beliebte Trikolore hat es mit einem Loch in der Mitte zu besonderer Berühmtheit gebracht. Sie ist damit das Symbol des Aufstands von 1956 gegen die sowjetische Übermacht und für den Freiheitskampf unter dem damaligen Staatspräsidenten Imre Nagy geworden, der später von den Sowjets hingerichtet wurde.
Im Volksaufstand 1956 wollte man das verhasste Sowjet-Wappen nicht verwenden, fand aber keine anderen Fahnen mehr, die etwa das Kossuth-Wappen ohne Krone oder das ungarische Wappen mit Stephanskrone zeigten. Man entschied sich kurzerhand, das Wappen herauszuschneiden. So wurde die Flagge mit dem Loch zum Symbol des ungarischen Volksaufstandes 1956. Sogar die ungarischen Sportler erschienen zur Olympiade in Melbourne mit einer Flagge mit Loch.
Auch wenn der Volksaufstand niedergeschlagen wurde, einigte man sich ab 1957 auf eine Flagge ohne Wappen und ersetzte das Rákosi-Wappen durch das weniger sowjetisch beeinflusste, sozialistische Wappen vom damaligen Staatspräsidenten Kádár. Seit der politischen Wende 1989 ist der 23. Oktober nun Nationalfeiertag zum Gedenken daran.Amtliche Flagge von Ungarn heute
Nach der Wende blieb die ungarische Nationalflagge ohne Wappen bestehen. Jetzt wurde sie jedoch länglicher und hat amtlich das Format 2:1. Die Flagge und die Bedeutung der Farben sind auch in der ungarischen Verfassung (Magyarország Alaptörvénye) in Artikel I, Absatz (2) festgelegt.
(2) Magyarország zászlaja három, egyenlő szélességű, sorrendben felülről piros, fehér és zöld színű, vízszintes sávból áll, amelyben a piros szín az erő, a fehér szín a hűség, a zöld szín a remény jelképe.”
Die ungarische Flagge besteht aus drei gleich breiten horizontalen Streifen in der Reihenfolge rot, weiß und grün, in der die rote Farbe Stärke, die weiße Farbe Loyalität und die grüne Farbe das Symbol der Hoffnung ist.
Die offizielle Empfehlung der zu verwendenden Farben besagt ein Tomatenrot (Pantone 18-1660), ein reines Weiß sowie ein Rasengrün (Pantone 18-6320). Die entsprechenden RGB-Werte sind 205-42-62 für das Rot, 255-255-255 für Weiß sowie 67-111-77 für das Grün. Wer die Farbdefinition ganz genau wissen will, findet hier die ungarische Verordnung dazu.
Historische Árpád-Flaggen
Ein kleiner Rückblick sei noch gestattet. Während die heutige ungarische Fahne noch keine 200 Jahre alt ist, gibt es die rot-weißen Árpád-Streifen in Ungarn seit mehr als 1000 Jahren. Leider wurden diese Flaggen auch in der Nazizeit von den Pfeilkreuzlern verwendet und in Misskredit gebracht. Sie mögen heute gemischte Gefühle hervorrufen, auch wenn die ursprünglichen Árpád-Flaggen damit nichts zu tun haben.
Zur Zeit von Matthias Corvinus hatte sich bereits eine komplexe Heraldik entwickelt. Neben den Árpád-Streifen finden sich das apostolische Doppelkreuz auf dem Dreiberg und beispielsweise links unten das Wappen von Dalmatien.
Ich bin Gespannt.
Ganz herzlichen Dank für die umfassende Erklärung zur Piros-Fehér-Zöld.