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Szatmárcseke – was uns der kuriose calvinistische Friedhof erzählt

Szatmárcseke nahe der ukrainischen Grenze beherbergt einen kleinen Friedhof, der einzigartig in Ungarn und ganz Europa ist.

Das Dorf Szatmárcseke hat gut 1500 Einwohner und liegt im östlichsten Komitat Ungarns am Oberlauf der Theiß direkt an der Grenze zur Ukraine. Wer den Friedhof von Szatmárcseke als bekannteste Sehenswürdigkeit besucht, wird beim Anblick wohl seltsam ergriffen sein. Statt der üblichen Grabsteine recken sich hier rund 600 recht düstere Stelen in Form aufrecht stehender Boote gen Himmel. Diese derart geschnitzten Grabstelen sind in ganz Europa einzigartig. Was hat es wohl mit den Eichenstämmen als Totenkult auf sich?

Don’t pay the ferryman?

Beim Anblick von symbolischen Booten auf einem Friedhof muss ich unweigerlich an „Don’t pay the ferryman“ von Chris de Burgh denken. Hier erhält jeder symbolisch sein eigenes Boot für den Weg ans andere Ufer. Ob die Tradition nun tragisch oder hoffend zu sehen ist, wer weiß das schon. Im weniger als 100 Kilometer entfernten Fröhlichen Friedhof von Săpânța in Rumänien hat man wieder einen etwas anderen kuriosen Blick auf den Wechsel der Sphären zwischen Leben und Tod.

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Das Geheimnis von Formen und Symbolen dieser Grabstämme wurde von den Historikern bis heute nicht vollständig gelüftet. Es gilt aber als bekannt, dass die Einheimischen die für ihre Gräber benötigte Eiche selbst ausgewählt haben, die sie getrocknet und geschnitzt haben.

Auch die Herkunft dieser uralten Tradition bleibt ungewiss. Manche Theorie meint, die Boote symbolisieren einen alten Glauben über den Tod als nächsten Schritt einer langen Reise. Andere meinen, dass die toten Körper dereinst auf Booten zu ihren Begräbnisstätten gebracht wurden, wobei die Boote letztlich aufgerichtet, geschnitzt und als Grabstein genutzt worden sind. Wie auch immer, die Tradition lebt noch heute fort in Szatmárcseke und gilt als wichtiger Bestandteil der regionalen Kultur.

Alte Bootsstelen in Szatmárcseke

Was bedeutet die Inschrift ABFRA?

Wer die Eichenboote genauer betrachtet, wird überall die Inschrift „ABFRA“ bzw. „A.B.F.R.A.“ finden. Es handelt sich hier um eine ungarische Abkürzung, wie sie für Gräber der reformierten calvinisten Kirche typisch ist. Sie steht für den Wunsch „a boldog feltámadás reménye alatt“, was auf Ungarisch soviel bedeutet wie „In der Hoffnung auf eine glückliche Auferstehung.“ (sprachlich genaugenommen: Unter der Hoffnung…).

Inschrift ABFRA auf den Eichen-Stelen
Inschrift ABFRA auf den Eichen-Stelen

Das Erbe von Ferenc Kölcsey

Neben den Holzbooten beherbergt der Friedhof von Szatmárcseke zudem auch das Grabmal des Dichters Ferenc Kölcsey aus hellem Marmor. Wer seinen Namen noch nicht kennt – hier in Szatmárcseke schrieb er 1823 den bekannten Himnusz, der mit den Worten Isten, áldd meg a magyart (Gott, segne den Ungarn) beginnt. Dessen Vertonung erfolgte 1844 durch Ferenc Erkel. Bereits zur Revolution 1848 war das so entstandene Lied sehr verbreitet. Im Jahre 1903 wurde es zur offiziellen Nationalhymne von Ungarn und ist das bis heute.

Grabmal von Ferenc Kölcsey in Szatmárcseke
Grabmal von Ferenc Kölcsey in Szatmárcseke

Symbol von Szatmárcseke

Auf dem Weg zum Friedhof fällt auf der rechten Seite eine neuere Holzskulptur auf. Dabei handelt es sich um das Symbol von Szatmárcseke (Szatmárcsekei jelkép). Künstler aus der Ukraine und Slowakei haben die Skulptur zusammen mit dem örtlichen Holzschnitzer gestaltet. Die drei Steine beziehen sich auf den Ort und die Formation von Szatmárcseke, das Boot mit den Rudern auf die Beerdigung mit dem Bootskopf. Der Vogel oben symbolisiert „Der Tod ist nicht das letzte Wort“. Mehr Informationen dazu auf Ungarisch finden sich hier.

Skulptur Symbol von Szatmárcseke
Skulptur Symbol von Szatmárcseke
Reformierte Kirche in Szatmárcseke
Reformierte Kirche in Szatmárcseke

Umgebung von Szatmárcseke

Szatmárcseke bietet lokal Möglichkeiten für Angler und Jäger, für Radtouren und Kanufahrten. Von Szatmárcseke aus sind es nur wenige Kilometer bis zur Wassermühle in Túristvándi. Auf einer Autotour liegen die historischen Dorfkirchen von Tákos und Csaroda in der Nähe, auch bis Csengersima und sogar Satu Mare in Rumänien ist es nicht weit. Oder man besuche noch die nahegelegene Pálinka-Brennerei in Panyola.

Quartiere in und um Szatmárcseke

Die Region ist touristisch bisher wenig erschlossen. Hier machen eher die Ungarn selber Urlaub. Es finden sich daher vor allem Campingplätze und Gästezimmer oder kleine Pensionen. Eine auch bei Booking buchbare Möglichkeit vor Ort ist das Kölcsey Kúria Vendégház*. Bei einer größeren Tour kann man aber auch in Mátészalka, Nyíregyháza oder gar in Satu Mare nächtigen.

Restaurant-Tipps

Da hier meist nur Selbstversorger Urlaub machen, gibt es kaum Restaurants. Neben mancher Pizzastelle scheint mir das Malom panzió és étterem im nicht weit entfernten Tarpa eine gute Möglichkeit für ungarische Küche zu sein. Die angebotenen Preise sind unschlagbar günstig. Wir haben es aber noch nicht ausprobiert. Ebenfalls ansprechend wirkt das Calypso Étterem an der Theiß in Tivadar.

Praktische Informationen

Adresse:

Szatmárcseke, 14 Táncsics u., 4945 Ungarn

Koordinaten

48,08762°N / 22,63203°O

Fazit

Der Friedhof in Szatmárcseke ist außergewöhnlich. Auf einer Rundfahrt im Osten Ungarns sollte man ihn nicht verpassen. Sonst ist der kleine Ort etwas, wenn man Ruhe und Natur sucht.

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6 Kommentare

  1. Klingt nach einem wirklich spannenden und interessanten Ort. Aber du hast recht – sehr untouristische Region. Zumindest habe ich es schon mal nach Debrecen und Miskolc geschafft. So weit ist von da ja gar nicht mehr 😉

    1. Das östlichste Komitat Ungarns wirkt tatsächlich touristisch noch vergessen. Es lohnt sich aber für Leute, die auch die kleinen Dinge entdecken mögen. Du hast schon Debrecen und Miskolcs geschafft – Daumen hoch, das ist schon für Fortgeschrittene. Dann weiter Lillafüred, Miskolctapolca, Hortobágy puszta, Tokaj. Und bei Fragen bitte gerne melden. Viele Grüße von Peter

  2. Hallo
    Ihr Komentar ist sehr aufschlussreich und Ich möchte nächste Jahr diesen Ort besuchen.
    Viele liebe Grüße Fam. Ernst

    1. Na dann viel Spaß beim Entdecken dieser abgelegenen Region. Möglichst immer eine kleine Selbstversorgung dabeihaben, da man abends nicht unbedingt was findet. Die Region bietet sich für ein Autotour an. Ich nennen nochmal ein paar Orte: Csaroda, Tákos, Túristvándi, Csengersima, Fehérgyarmat und der Wallfahrtsort Máriápócs. Bei Fragen bitte gerne melden. Viele Grüße von Peter

  3. Wie cool, dass die Holzskulptur bei den Grabmalen aus robustem Granit von Künstlern aus der Ukraine und Slowakei zusammen mit dem örtlichen Holzschnitzer gestaltet wurde. Ich finde außerdem die Symbolik des Vogels sehr schön gedacht. Für unseren nächsten Ungarnbesuch steht der Friedhof auf jeden Fall schon auf der Liste.

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