Das Dorf Bogyiszló ist Namensgeber des pikanten Bogyiszlói Paprika. Er ist schwierig zu finden, aber die Natur im Donau-Drau-Nationalpark lädt ein.
Bogyiszló werden die meisten nicht kennen. Warum auch, dass Dorf mit etwas über 2.000 Einwohnern in Südtransdanubien liegt weit ab von den Touristenströmen und hat keine berühmten Sehenswürdigkeiten. Sehenswert ist es aber allemal für Naturfreunde und Gäste, die Ruhe suchen. Ich hatte mir den Ortsnamen längst gemerkt, denn von dort stammt wohl der scharfe Spitzpaprika, eben der Bogyiszlói paprika. Ich wollte endlich sehen, wo der wächst.
Unsere Suche nach den pikanten Früchtchen sollte sich schwierig gestalten, denn erhoffte weitläufige Paprikafelder waren nicht in Sicht. Nur am Ortsrand eine kleines Feld mit Gewürzpaprika, na immerhin. Bogyiszló ist aber nicht nur für Paprika bekannt und ein schmuckes Dorf, sondern auch der nördlichste Rand und Außenposten des Donau-Drau-Nationalparks (Duna-Dráva Nemzeti Park), der sich ansonsten vorwiegend an den Donauufern südlich von Mohacs bis zur Grenze nach Serbien erstreckt. Bereits in der weitläufigen Gemarkung Bogyiszló lassen sich einige Naturschönheiten entdecken.
Ort und See „Tote Donau“ (Holt-Duna)
Viele haben in Bogyiszló quasi ein Haus am See, denn die Holt-Duna liegt hufeisenförmig mitten in der Ortslage und erstreckt sich mit etwa 250 Metern Breite über rund 2 Kilometer. Dabei ist der See meist sehr flach und speist sich teils aus Sickerwasser sowie aus den umliegenden Binnengewässern der Überflutungsgebiete bei Donau-Hochwasser. Die zeitweilige Überdüngung (Eutrophierung) konnte in den letzten Jahren deutlich verbessert werden, so dass sich auch die Fischbestände erholt haben.
Der See ist ein idyllischer Ort, wo man in scheinbarer Abgeschiedenheit der Natur vorbei an Schilf und Binsen spaziert. Dennoch ist man meist nur wenige Meter von den Häusern entfernt. Hier ist ein Angler-Paradies, wo es sich offenbar einige gemütlich eingerichtet haben. Zwischen Gras und Schild finden sich mitunter verschiedenste Stühle, die auf ihren Angler zu warten scheinen. Karpfen, Brassen, Hecht, Barsch und Wels sind hier anzutreffen und finden gute Laichplätze vor.
Wer selber angeln möchte, braucht dafür einen Angelschein des örtlichen Anglervereins, der im kleinen Lebensmittelladen erhältlich sein soll.
Wichtigstes Element im Dorfbild von Bogyiszló ist die 1811 fertiggestellte reformierte Kirche, die von 1998 bis 2007 komplett saniert worden ist und heute wieder schmuck erstrahlt. Die jüngste seit 1974 erklingende Mittelglocke mahnt mit ihren Namen für „Frieden und Leben“ (Béke es Élet). Noch im Kirchengelände erinnert ein Denkmal an die Helden aus Bogyiszló vom Ersten Weltkrieg sowie an Trianon.
Eine kleine Kuriosität gibt es noch in Bogyiszló – das erste ungarische Abzeichenmuseum in der Duna u. 5, wo in 24 Vitrinen mehr als 1400 Abzeichen ausgestellt sind. Eine Besichtigung ist nur nach Anfrage und Absprache möglich. Anfragen an Király Jószef unter +36 20 942 7411 oder kiralyjoszef1942@freemail.hu.
Auf der Suche nach dem Orchideenwald Bogyiszló (Bogyislói Orchideás erdő)
Außer Paprika suchen wir aber auch den Orchideenwald, den es in Bogyiszló geben soll, auch wenn uns die Hinweise auf Webseiten nur zum Ortszentrum geführt haben. Aber immerhin, hier findet sich tatsächlich der nächste Hinweis. Eine Karte der Umgebung verzeichnet diesen „Orchideás erdő“ irgendwie ein Stück hinter der Autobahn M9.
Kurz hinter der Autobahnbrücke endet die eingezeichnete Strecke für das Auto, so dass wir hier am Straßenrand abstellen und uns zu Fuß weiterbegeben. Besser lässt man das Auto gleich in Bogyiszló stehen und legt die ganze Strecke zu Fuß oder per Rad zurück. Nach wenigen Schritten treffen wir tatsächlich auf einem Damm sowie einen Wegweiser Orchideás erdő 1 km und schreiten nun hoffnungsvoll voran. Ein herrliches Gelände bietet sich hier mit abwechslungsreicher Pflanzenwelt, aber von Orchideen keine Spur. Wir waren aber dicht dran. Bei unserem Besuch im September hätte ohnehin nichts geblüht. Die ganze Pracht entfaltet sich im Mai.
Im Nachhinein habe ich aber auf einem ungarischen Blog doch noch Genaueres gefunden. Es gibt den Orchideenwald mit etwa 1,5 km Länge auf 36 Hektar als nördlichsten Teil des Donau-Drau-Nationalparks wirklich, er liegt zwischen Damm und dem Autobahnverlauf der M9 hinter einem Zaun. Zum Wegweiser steht dort: „Glaube diesem Schild nicht. Es führt uns entlang den Damm/Deich, nach 1 km Weg stehen wir im Nirgendwo und müssen einen schwierigen Zaun überwinden.“
Vielleicht ist es aber auch gut so, dass viele Touristen den Ort gar nicht genau finden. Schöne Bilder und einen kritischen Bericht über die schwierige Situation der Orchideen dort gibt es auf Ungarisch unter http://elbiferrum.blogspot.de/2016/05/a-bogyiszloi-orchideas-erdoben.html.
Zu den teils sehr seltenen Orchideen von Bogyiszló gehören das Helm-Knabenkraut, das Weiße Waldvöglein, das Langblättrige Waldvöglein, Sumpf-Stendelwurz, das Fleischfarbene Knabenkraut und das Große Zweiblatt.
Meine Bitte: Respektiert die Natur und den strengen Schutz der Orchideen im Nationalpark, beschädigt die Pflanzen nicht, und ein Ausgraben ist sowie zwecklos, weil diese Orchideen nur in Symbiose mit einem bestimmten Pilz gedeihen. Einige Orchideenarten in diesem größten Orchideengebiet des Karpatenbeckens sind sehr selten und gefährdet.
Entdeckt haben wir aber eine andere auffällige Pflanze, die wir so noch nicht gesehen hatten. Nach längerer Bildrecherche bin ich mir ziemlich sicher, dass wir die Gewöhnliche Seidenpflanze gefunden haben. So gewöhnlich ist sie bei uns aber nicht. Seidenpflanzen kommen fast nur in Amerika verbreitet vor. In Europa wurden sie teilweise als Zierpflanze kultiviert. Heute findet man die Seidenpflanzen im Raum Wien sowie des Öfteren verwildert im pannonischen Gebiet.
Knorrige Riesen im Eichenwald von Bogyiszló (Kasztói Őstölgyes)
Werden wir mit dem Eichenwald mehr Glück haben? Kurz nach der Ortsmitte halten wir uns in Bogyiszló halb rechts auf die Duna ut. Nach dem Ortsende wird die Strecke etwas holprig und staubig, bleibt aber gut befahrbar. Nach etwa 3 Kilometern vorbei an Feldern mit Mais und Sonnenblumen entdecken wir tatsächlich linkerhand knorrige Eichen, zwar nicht als Wald, sondern freistehend. Eine Infotafel klärt auf.
Das 87 Hektar große Areal steht seit 1993 unter Naturschutz. Dereinst wurde der ehemals geschlossene Eichenwald zu Weideland umgeformt. Einige Bäumen blieben stehen und boten den Tieren Schutz und Schatten an heißen Sommertagen. Durch die Weidewirtschaft waren die Wiesen gepflegt und neue Bäume hatten keine Chance, groß zu werden. Seitdem die extensive Viehhaltung reduziert ist, werden nur noch kleinere Gebiete regelmäßig beweidet. Heute hat diese Landschaft kulturhistorische Bedeutung und bietet Lebensraum unter anderem für Greifvögel und Fledermäuse. Uns boten sich zudem herrliche Fotomotive.
Donauufer und Lauben an der Donau (Bóny-fok)
Vom Eichenwald ist es nur noch ein kleines Stück bis zum Donauufer. Der Schutzdamm bietet einen schönen Radweg, ist aber für Autos nicht gestattet. Wir fahren ein Stück zurück und suchen den nächsten Fahrweg, der uns näher zur Szent László híd führen sollte. Der staubige Fahrweg wird immer mehr zum Feldweg, der auch bei gutem Wetter noch so einige große Pfützen zu bieten hat. Nur langsam geht es weiter. Irgendwo im Nichts taucht nun ein Gehöft auf. Langsam fahren wir auch dort dran vorbei, als wir erkannt und gestellt werden. Ein Hund stürmt auf uns zu – rasch werden es vier sein. Unser Auto ist quasi umzingelt und von lautem Gebell umgeben. Was sind wir gerade froh, jetzt nicht zu Fuß unterwegs zu sein. Ganz langsam versuche ich weiterzufahren. Immer wieder taucht vor der Motorhaube kurzzeitig ein kläffender Hundekopf auf. Die waren absolut furchtlos und verfolgten uns fast einen Kilometer, bis ich nach einer Kurve endlich etwas Vorsprung gewinnen und die Hunde in einer Staubwolke zurücklassen konnte. Bedrohlich, aber es war wohl die Aufgabe der Hunde.
Schließlich erreichen wir wieder den Damm an der Donau. Obwohl der Feldweg von Bogyiszló aus nicht gesperrt war, sollte man den bei schlechterem Wetter besser meiden oder höchstens per Geländewagen befahren. Am Donauufer gibt es hier nun mehrere Bungalow- und Ferienhaus-Siedlungen wie Bóni-fok. Eine schöne Urlaubsgegend für Natur- und Angelfreunde direkt an der Donau, die weitgehend von den Ungarn selber genutzt wird. Nach der Hauptsaison war es im September bereits sehr ruhig. Statt der Fahrt über Feldwege ist die Gegend von Szekszárd aus über die Straße zum Gemencer Wald besser erreichbar. Wer dort Urlaub macht, sollte die Gegend am besten per Fahrrad erkunden, denn die Entfernungen sind durchaus etwas länger, aber das Gelände ist flach.
Szent László híd
Die Szent László híd ist eine von lediglich vier Brücken über die Donau zwischen Budapest und der serbischen Grenze. Und auch sie ist relativ neu und wurde zwischen 2001 und 2003 errichtet. Eine moderne und schlichte Konstruktion mit vier Pfeilern in der Donau und einigen weiteren auf Landseite überspannt insgesamt fast 920 Meter Länge mit 14 Metern Breite und ist damit die längste Straßenbrücke in Ungarn. Hinüber führen die Autobahn M9, die hier nur je eine Spur pro Fahrtrichtung hat, sowie ein kombinierter Fuß- und Radweg. Wegen der unmittelbaren Nähe zum Naturschutzgebiet Gemencer Wald wurden hier sogar Passagen für Wild und Reptilien geschaffen.
Bisher ist die Brücke nicht stark befahren. Für Fußgänger bietet sie schöne Weitblicke über die Donau, die hier teilweise deltaartige Verzweigungen, ruhige Nebenarme und bewaldete Miniinseln aufweist. Einzelne Fischerboote suchen sich ihren Fang in dieser Idylle.
Praktisches für Bogyiszló
Bogyiszló ist etwas für Naturfreunde. Hier gibt es weder Hotel noch Csárda, nur einen kleinen Lebensmittelladen. Direkt an der Donau finden sich einige Ferienhäuser. Die Gegend eignet sich besonders für Selbstversorger, Angler und Radfahrer. Bogyiszló ist aber auch von Tolna und Szekszárd aus gut per Auto oder Bus für einen Ausflug erreichbar.
Webseite: http://www.bogyiszlo.hu/ (auf Ungarisch)
Auf den Bericht habe ich schon gespannt gewartet. Es hat sich gut gelesen und die Fotos sind wunderbar. Als emsige Ungarn fahrer kennen wir schon sehr viel, dieses Dorf ist auch für uns neu und ganz sicher werden wir uns dort umschauen, da Tolna nächstes Jahr auf dem Plan steht. Die Seidenpflanze steht auch überall in der puszta. Den Namen kannte ich nicht. Lg , Margrit