Gül Baba Türbe Budapest: das nördlichste Heiligtum des Islam im neuen Glanz
Die Gül Baba Türbéje im Budapester Stadtteil Óbuda ehrt einen Dichter und steht für Völkerverständigung
Ein Heiligtum des Islam als Sehenswürdigkeit in Budapest mag überraschen, doch historische Zeugnisse des alten osmanischen Reiches wie die Gül Baba Türbéje sind gar nicht so selten in Ungarn – schließlich war das Land mehr als 150 Jahre unter türkischer Fremdherrschaft besetzt. Einige Relikte haben die Zeiten überdauert.
Mancher wird noch heute vielleicht verbittert sein, doch die historischen Verflechtungen zwischen Ungarn und Türken sind eng und mannigfaltig. Nicht nur das Trauma von Mohács 1526 oder die Schlacht von Eger gibt es da, auch Paprika und Kaffeekultur sind über das osmanische Reich ins Karpatenbecken gelangt. Mehr Details zur wechselvollen Geschichte beider Völker erfährt man beispielsweise im Freundschaftspark nahe Szigetvár.
Wer war Gül Baba?
Er war ein Bektaschi-Derwisch und Dichter, der aus Merzifon in Anatolien stammte. Er gehörte damit einem bedeutenden islamischen, asketisch lebenden Derwisch-Orden an. Auf Einladung des Sultans Süleyman nahm er an ottomanischen Feldzügen durch Europa teil und kam 1531 nach Buda. Er starb wohl am 2. September 1541 kurz nach der ottomanischen Besetzung von Buda. Man sagt, er starb während des ersten Freitagsgebets in der Matthiaskirche der Budaer Burg, die fortan zu einer Moschee (Büyük Camii) umgewandelt war. Seine Beisetzung wurde vermutlich von Sultan Süleyman I. begleitet. Das Grabmal (Türbéje) war eines der wichtigsten Heiligtümer des ottomanischen Ungarns.
Sein Name Gül Baba bedeutet auf türkisch so viel wie „Vater der Rosen“. Er soll wohl immer eine Rose am Turban getragen haben. Mitunter sagt man ihm nach, er hätte die Rosen nach Ungarn gebracht. Aber die gab es wohl zu damaliger Zeit doch schon in Ungarn.
Die historische Türbe des Gül Baba
Das ursprüngliche Grabmal (Türbe) wurden zwischen 1543 und 1548 erbaut, wie eine kleine Tafel heute noch hinweist. Die achteckige Kapelle mit ihrem helmartigen Dach ist von einem türkischen Halbmond gekrönt. Das Innere ist meist nicht frei zugänglich, sodass wir nur durch ein Fenster einen Blick auf den Kenotaph erspähen konnten. Es handelt sich hier also mehr um eine symbolische Stätte des Gedenkens, ohne dass hier wirklich die sterblichen Überreste sind.
Rezeption von Gül Baba in Ungarn
Nach der Befreiung von Buda 1686 war Gül Baba in Ungarn vergessen. Jedoch im 19. Jahrhundert erinnerte man sich wieder an ihn, und er wurde während der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts zum Symbol der ungarisch-türkischen Aussöhnung und Freundschaft. Die Umgebung der Türbe erhielt in jener Zeit den Namen Rózsadomb (Rosenhügel).
Allmählich bildete sich eine spezielle ungarische Legende um seinen Namen – basierend auf einer Geschichte von Béla Tóth. Ausgehend von Tóths Geschichte schuf der ungarische Komponist Jenő Huszka 1905 die Gül Baba Operette. Nachfolgend entstanden dazu zwei Kinofassungen (Gül Baba, 1940 sowie Gábor diák, 1956). Beeinflusst durch diese Filme betrachtet die ungarische Öffentlichkeit Gül Baba als einen friedvollen und wohltätigen alten Mann, der in einem Rosengarten arbeitet.
Kulturzentrum und rekonstruierte Gül Baba Türbejé
Die Restaurierung des Grabmals und die Neugestaltung seiner Umgebung wurden um Rahmen der ungarisch-türkischen Regierungsvereinbarung in den Jahren 2016-2017 ausgeführt. Jetzt umgibt ein Kulturzentrum die historische achteckige Türbéje. Am Hügel davor ist von der Mecset utca aus kommend auch der Rosengarten neu angelegt. Am 9. Oktober 2018 wurde die rekonstruierte Türbe mit dem neuen Kulturzentrum herum eingeweiht. Da ließ es sich sogar der türkische Präsident Erdoğan nicht nehmen, die Einweihung persönlich mit dem ungarischen Premierminister Orbán durchzuführen. Eine lustige Begebenheit am Rande: Erdoğan sammelt die Scheren von Einweihungen, wie man im englischen Artikel zur Zeremonie erfahren kann.
Aussichtspunkt Rosenhügel
Der Rosenhügel dient nicht nur dem Gedenken an den einstigen Poeten und Derwisch. Heute kann man hier nur wenige Minuten von der geschäftigen Margaretenbrücke (Margit híd) entfernt Entspannung finden und weite Ausblicke über die Sehenswürdigkeiten von Budapest genießen. Von hier aus sieht man das imposante Parlament in mitunter ungewöhnlichen Perspektiven, von hier erblickt Burgpalast, Matthiaskirche und weitere Gebäude des Burgbergs. Doch eigentlich befindet man sich inmitten eines der am dichtesten besiedelten Wohngebiete der Stadt – manch alte Zäune und Gemäuer versprühen hier noch den Charme der wechselnden Zeiten. Nach Norden hin weitet sich der Blick sehr. Neben der Árpad híd und der nördlichen Eisenbahnbrücke entdeckt man die moderne Megyeri híd – die nördliche Autobahnbrücke der M0 mit ihren weißen Pylonen und markanten Spannseilen. Die Gül Baba Türbe ist einer der wenigen zentrumsnahen Aussichtspunkte in Budapest, von wo aus man diese zweitgrößte Brücke Ungarns sehen kann.
Tipp: Die Gül Baba Türbéje bietet sich auch als nicht so sehr überlaufener Ort an, um das große Feuerwerk am Nationalfeiertag 20. August zu betrachten.
Ausstellung zur Geschichte von Gül Baba
Sehr interessant ist auch die Besichtigung im umgebenden Kulturzentrum, wo man Einblicke in die Geschichte von Gül Baba, der Türbe selbst sowie in das ottomanische Leben jener Zeit gewinnen kann. Schön arrangiert in einem Backsteinbau finden sich viele Infotafeln auf Ungarisch, Türkisch und für die westlichen Touristen auf Englisch verfasst. Hier sieht man alte Keramik aus jener Zeit, eine Derwisch-Kappe, die man bei der Rekonstruktion in der Türbe gefunden hat und beispielsweise die Werkzeuge für die Kunst der Kalligraphie, die im ottomanischen Reich zu höchster Vollendung gedieh.
Nach dem Besuch der Ausstellung kann man gut bei einem echten türkischen Tee entspannen. Der Ort hat uns begeistert und ist für mich einer der Glücksorte in Budapest, die ich in mein Buch aufgenommen habe.
Praktisches
Adresse: 1023 Budapest, Mecset utca 14. E-Mail: info@gulbabaalapitvany.hu.
Webseite: http://www.gulbabaalapitvany.hu/
Anfahrt: Per Auto zur Margit híd und dort westseitig aufwärts in die Margit utca oder Mecset utca – die Parkplätze in der Straße sind meist knapp. Bequemer ist die Anfahrt per Metro mit der Stadtbahn H5 zur Station Margit híd. Diese ist vom Batthyány tér in einer Haltestelle zu erreichen. Ab dort verkehrt Metro-Linie M2.
Koordinaten: 47.516°, 19.0349°
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, montags geschlossen
Eintrittspreise: Rosengarten, das Gelände rund um die Gül Baba Türbe sowie das Museum sind (derzeit) kostenfrei zu besichtigen.