Neue Synagoge Szeged – Jugendstil unter dem Himmelszelt
Die Neue Synagoge Szeged ist die viertgrößte Synagoge weltweit und ein beeindruckendes Werk des ungarischen Jugendstils (Sezessionsstils).
Bei den Sehenswürdigkeiten in Szeged trifft der Besucher nicht sofort auf die Neue Synagoge, liegt sie doch ein paar Nebenstraßen abseits vom touristischen Zentrum. Der kurze Spaziergang dorthin sollte aber unbedingt zum Programm gehören. Mit wirklich stattlichen Ausmaßen und dem eher quadratnahen Grundriss belegt der gelbliche Backsteinbau praktisch ein ganzes Karree zwischen den benachbarten Straßen, umgeben vom Garten, dessen Neugestaltung noch in Arbeit ist. Nach Jerusalem, der Großen Synagoge Budapest sowie jener im tschechischen Plzen ist sie die viertgrößte Synagoge der Welt und zweifellos eine der schönsten.
Geschichte und Architektur der Synagoge Szeged
Erbaut wurde die Neue Synagoge Szeged in den Jahren 1900 bis 1903 nach Plänen des Budapester Architekten Lipót Baumhorn wesentlich im Sezessionsstil, der österreichisch-ungarischen Ausprägung des Jugendstils. Von ihm stammen unter anderem auch die Synagogen in Timișoara und Brasov (Rumänien), Szolnok, Novi Sad (Serbien), Nitra (Slowakei) sowie die Synagoge in der György-Dózsa-Straße Budapest.
Zum Jugendstil gesellen sich in Szeged maurische Elemente und weitere Stileinflüsse, die vom byzantischen Stil über Gotik bis zum Barock bei der äußeren Gestaltung der Kuppel führen – mit ihren 48,5 Metern Höhe insgesamt ein beeindruckendes eklektisches (verschiedene Stilrichtungen vereinendes) Gesamtkunstwerk.
Harmonie unter dem Sternenzelt
Im Innern strahlt die Neue Synagoge Szeged eine besondere Ruhe und Harmonie aus. Unter einer blauen Kuppel mit an Gotik erinnerndem Strebenwerk befindet sich die Orgel. Auf dem Gewölbe davor ist das biblische Gebot der Nächstenliebe auf Hebräisch und Ungarisch zu lassen – Ungarisch: „Szeresd felebarátodat mint tenmagadat“ – liebe Deinen Nachbarn wie Dich selbst.
Mit etwas Glück beginnt sogar der Organist sein Werk. Klänge von Bach ließen uns augenblicklich zusammenzucken und lauschen wie nach einem Donnerschlag in dem nahezu leeren Gebäude. Die Synagoge bietet 1340 Besuchern Platz und ist damit der größte Konzertsaal in Szeged. Neben Klassik wird hier ein vielfältiges Programm von Klezmer bis Pop zu Gehör gebracht. Beispielsweise gibt es am 24. September 2019 ein Konzert mit dem ungarischen Komponisten und Liedermacher Bródy János, siehe Ticket-Infos.
Verzierungen zwischen Elfenbein und Gold komplettieren das Bild. Langsam wandern die Blicke nach ganz oben.
Gläserne Meisterwerke von Miksa Róth
Am meisten beeindruckt hat uns die Kuppel mit ihren Glasfenstern. 24 Säulen tragen symbolisch die Welt und repräsentieren die Stunden des Tages sowie die 24 Bücher des Alten Testaments der Bibel. Zentral ist der Davidstern. Architektonische Gestaltung, Ornamentik und die Jugendstil-Glasfenster gehen eine besonders harmonische Einheit ein. Ihr Schöpfer Miksa Róth war in Ungarn der Star der Glasfenster in der Zeit des Jugendstils: Arbeiten für Parlament, Burgpalast, Stephans-Basilika, Széchenyi-Bad, Musikakademie und Török Bank Budapest wären zu nennen.
Sehenswert sind auch viele seitliche Glasfenster, die vor allem mit botanischen Motiven auffallen. Oberrabbiner und Botaniker Dr. Immanuel Löw stand dem Architekten bei der Auswahl der biblischen und botanischen Motive für die Ornamentik der Wände und Fenster zur Seite. Die einzelnen Fenstergruppen erzählen über jüdische Geschichte und jüdische Feste wie Zeltenfest, Purim und Pesach. Dem Oberrabbiner Immanuel Löw ist außerdem zu verdanken, dass auch Ungarisch als liturgische Sprache verwendet wird.
Von Menora bis Thora
Bemerkenswert sind die vier reich verzierten Menoren-Leuchter aus Bronze, die jeder etwas anders gearbeitet und prächtig mit Halbedelsteinen besetzt sind. In der Mitte hängt das ewige Licht (Ner Tamid) vor beziehungsweise über dem Thoraschrein. Heutzutage ist es mit Solarstrom betrieben. Die Holzarbeiten des Thoraschreins sind aus Nilakazie.
Tipp: Für nur 100 Forint könnt ihr die Synagoge 2 Minuten lang in voller Beleuchtung erstrahlen lassen. Das hebt die Würde des Ortes weiter an und bietet gute Möglichkeiten zum Fotografieren. Der Lichtautomat befindet sich innen rechts vom Eingang.
Innehalten in der Vorhalle der Synagoge Szeged
Nach dem Besuch führt die Vorhalle zu einem Moment des Innehaltens. Unzählige Namen sind auf großen Marmortafeln verewigt. Im Holocaust wurden mehr als 6000 Juden im Juni 1944 aus Szeged deportiert. Nur wenige kehrten lebend zurück, die meisten wurden ermordet. Sie finden hier eine symbolische letzte Ruhestätte.
Im Holocaust-Gedenkjahr 2014 wurde zudem vor dem Eingang der Synagoge ein Menoren-Mahnmal eingeweiht.
Alte Synagoge Szeged nebenan
Die erste Synagoge in Szeged datiert auf das Jahr 1803, eine weitere folgte 1843. Nur wenige Schritte entfernt an der nordöstlichen Ecke des Platzes findet man diese alte Synagoge – ein vergleichsweise unscheinbarer Bau. Heutzutage ist sie meist nicht frei zugänglich und auch keine religiöse Stätte mehr. Jetzt wirkt darin ein kleines Theater sowie ein Zentrum für moderne Künste (Webseite www.maszk.hu). Eine kleine Gedenktafel an der Nordseite erinnert an das tragischste Datum für Szeged – die Flutkatastrophe vom 12. März 1879. Immerhin ist die alte Synagoge eines der wenigen Gebäude, die damals überlebt haben.
Praktisches zur Synagoge Szeged
Adresse:
6722 Szeged, Jósika utca 10
Webseite: https://szzsh4.wixsite.com/szzsh/english
Telefon: (00-36)-205864415 (für Gruppen-Reservierungen oder wenn das Tor während der Öffnungszeiten geschlossen sein sollte)
E-Mail: elnok1947@szzsh.hu
Koordinaten:
46,254072°N / 20,142321°O
Öffnungszeiten:
Von April bis September: täglich außer samstags von 9-12 Uhr sowie 13-17 Uhr.
Von Oktober bis März: täglich von 10-15 Uhr
An jüdischen Feiertagen ist die Synagoge für Touristen geschlossen.
Eintrittspreise:
Erwachsene 1200 Forint (ca. 4 Euro), Schüler/Rentner 600 Forint (ca. 2 Euro)
Hinweis: Männer werden gebeten, in der Synagoge eine Kopfbedeckung zu tragen.